Fintechs auf der INVEST: Von Robos, kostenlosem Trading und einer Online-Plattform für Vermögensverwalter

Auf der Invest, die letzte Woche in Stuttgart stattfand, konnte man einen guten Eindruck davon bekommen, wie sich die Robo Advisor schlagen und welche spannenden neuen Fintechs es gibt. Ein digitaler Messerundgang.

Robo Advisor und der Akquisekampf

Auf der Invest waren u.a. Easyfolio, Liquid, Quirion, Robin, Visual Vest, Solidvest, Warburg Navigator und Zeedin vertreten, d.h. ein Großteil der bekannten Namen. Auf den ersten (naiven) Blick ist dies erstaunlich, denn es handelt sich ja um digitale Anbieter, die nach der reinen Lehre auch ihre Akquise primär digital betreiben und so Kostenvorteile heben sollten. Aber bekanntermaßen ist die Welt auch für Robo Advisor digital und analog, wie sich am Marktführer Scalable Capital gut zeigen lässt, der persönliche Beratung für größere Volumina bei WeWork in verschiedenen Großstädten anbietet und jährlich eine Vielzahl von Präsenzveranstaltungen durchführt.

Akquise ist teuer und wie teuer sie ist, lässt sich indikativ am Beispiel einer Scalable-Mail, die mich als Kunde am letzten Wochenende erreichte, illustrieren. Bis zum 10. April erhielt man bei einer Neuanlage von z.B. 50.000 EUR, die ein Jahr gehalten werden muss, 300 EUR, die in ETFs investiert werden. Schnelle Bierdeckelrechnung: Marge 55 Basispunkte laut Scalable-Website d.h. ohne Umsatzsteuer 46 Basispunkte. Bei 50.000 EUR beläuft sich der Umsatz also auf 230 EUR pro Jahr. D.h. nach 1,3 Jahren ist die Prämie wieder reingeholt. Auf den ersten Blick scheint dies zur Analyse von Heinz-Roger Dohms zu passen, der titelte „Scalable Capital verdient mit seinen Kunden nach weniger als 18 Monaten Geld.“ (Finanzszene) Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es sich um Prämien für die Volumenerhöhung bei Bestandskunden handelt! D.h. der Robo investiert also stark, um das Volumen pro Kunde, das im letzten Jahr im Durschnitt bei ca. 30.000 EUR lag, zu erhöhen (Gründerszene).

Und noch eine kleine Quizfrage, die man beim Rundgang auch mal klären kann: Warum werden die Postboxen der Robo-Kunden mit Dokumenten zu Einzeltransaktionen zugemüllt, obwohl es sich in MiFID-Terminologie um eine „Finanzportfolioverwaltung“ handelt? Antwort: Im Settlementprozess ist es noch nicht möglich, die Transaktionen zu kennzeichnen d.h. das System behandelt dies als normale Kundentransaktion. Also viel Potential für die Verbesserung der Customer Experience!

Trade Republic – (fast) kostenloses Handeln

Und nun zum ersten neuen und spannenden Fintech: Trade Republic, welches das Konzept von Robin Hood aus den USA nach Deutschland holen will. Das Berliner Startup bietet Trading (fast) kostenlos an d.h. es werden keine eigenen Kosten, sondern in der Regel nur Fremdgebühren von 1 EUR pro Trade berechnet. Zielgruppe sind digitalaffine Millenials, die bereit sind ausschließlich über die App zu handeln. Aktuell gibt es eine Warteliste, auf der laut Unternehmensinformationen 15.000 Kunden stehen, jedoch konnte man sich als Messebesucher direkt registrieren und ein Konto anlegen. Sprich, die Prozesse sind noch in der Testphase, sonst würde man den Zugang nicht so selektiv gestalten. Der Onboardingprozess des Testaccounts mit Video-ID war reibungslos, wobei positiv auffällt, dass die IBAN in Echtzeit generiert wurde d.h. kein übliches tageslanges Warten auf die Bestätigung. Auffällig war jedoch, dass der Support mit Chat (Alternativen sind Mail und Telefon) recht gut bei den Einstellungen „versteckt“ ist. Generell wird auch zu prüfen sein, wie die Userexperience ist, was jedoch eines längeren Beobachtungszeitraums bedarf, und die Qualität des Supports, der beim Vorbild Robin Hood in den USA teilweise schlechte Kritiken erhält.

Wie immer bei Produkten, die kostenlos sind, stellt sich zudem die Frage der Monetarisierung oder salopper formuliert: „Wenn Sie im Internet etwas umsonst bekommen, sind Sie (oder Ihre Daten) das Produkt.“ In diesem Fall sind dies die generierten Orderflows, die sich der Anbieter vergüten lässt. Dies kann theoretisch zu Interessenskonflikten führen, wenn das Fintech aufgrund dieser Vergütung z.B. schlechte Kurse akzeptieren würde oder in MiFID-Sprech, stellt sich die Frage wie die Anforderung der Best Execution erfüllt wird. Trade Republic hat dies durch Kooperation mit der LS Exchange (Lang und Schwarz) gelöst.

Zusammenfassend: Trade Republic ist trotz manch kritischer Beobachtungen beim Vorbild Robin Hood auf jeden Fall beachtenswert, da es den Kampf um die niedrigsten Handelskosten weiter verschärft. Während Anleger in der Private-Banking-Klasse, die sich ein Portfolio aus ETFs zusammenstellen bei einer Direktbank zusammenstellen, extrem geringe Transaktionskosten haben, spielen die Kosten im Retailbereich oder bei Vieltradern noch eine größere Rolle für den Kunden – und für Banken als Ertragsquelle.

Qinfen – Eine Onlineplattform für Vermögensverwalter

Das zweite interessante Modell ist Qinfen ein Plattform-Angebot der DAB BNP Paribas für Vermögensverwalter. Es verstärkt somit den Online- / Plattform-Trend, den auch andere Anbieter wie die V-Bank oder die Ausschreibungsplattform von First Five verfolgen. Konkret soll Qinfen ab Herbst als digitale Plattform fungieren, die Kunden ermöglicht, mit Hilfe eines Onlinetools aus einer Vielzahl von Vermögensverwaltern auszuwählen (Selektion nach Strategien, Standort des Vermögensverwalters etc.) und nach Abschluss des digitalen Onboardingprozesses in die Strategien einzelner oder mehrerer Verwalter zu investieren. Für diese Serviceleistung erhebt Qinfen eine Gebühr, die mit den Vermögensverwaltern geteilt wird und die alle Kosten (abgesehen von Produktkosten) abdeckt.

Aus Kundensicht wird so die Transparenz über eine Vielzahl von Verwaltern und der Zugang erleichtert. Aus Sicht der Vermögensverwalter bietet ein solches Modell die Chance, Effizienzpotentiale zu heben d.h. die Fixkosten für Onboarding des Klienten und Regulatorik zu senken, die besonders bei Verwaltern mit kleineren Volumina schlagend werden. Auch wenn der Grundgedanke einleuchtend ist, kann man schwerlich eine seriöse Einschätzung abgeben, ohne das Tool selbst als Endkunde erfahren zu haben. In jedem Fall stellt sich jedoch die Frage aus Kundensicht, ob der Mehrwert in der Vielzahl der angebotenen Verwalter und Strategien oder in der Convenience liegt. Für die Verwalter ist Teilnahme an einer solcher Plattform voraussichtlich ein zweischneidiges Schwert: positiv ist die Reduktion der Onboardingkosten und der leichtere Kundenzugang. Gleichzeitig wird die erhöhte Transparenz bezüglich Performance auch den Wettbewerb intensivieren. Bei allen Plattformen – siehe Amazon – stellt sich die Frage, wer letztendlich der Nutznießer ist: Kunde, Anbieter oder Plattform. Alle drei werden es vermutlich nicht sein. Aber auch dies wird sich erst nach dem Start im Herbst beurteilen lassen. Seien wir gespannt!

Und die Schluss-Folgerung? Auch wenn die Dienstleistungen und Geschäftsmodelle sehr unterschiedlich sind, ergibt sich jedoch die Erkenntnis, dass zumindest aktuell „Digital“ ohne „Analog = Präsenz“ noch nicht wirklich funktioniert. Bedeutet dies eine Entwarnung für die klassisch aufgestellten Häuser und ihre Produkte, die die absolute Mehrheit der Aussteller bildeten? Vermutlich nein, sondern dass der Weg zur Digitalisierung und der Integration verschiedener Kanäle (Stichwort: Hybridmodell) ein noch langer und steiniger ist.

Foto: Messe Stuttgart