Lesedauer: 5 Minuten

„Die Amis kommen“ oder können US-amerikanische Finanzinstitute den deutschen Markt für Robo Advice beflügeln?

Ende Januar entwickelte Heinz-Roger Dohms in seinem Newsletter „Finanz-Szene“ das interessante Szenario, dass es „mittelfristig zu einem Giganten-Duell zwischen Blackrock (mit Scalable) und Goldman Sachs (mit Nutmeg) kommen könnte“.

Hintergrund dieses Szenarios sind die umfangreichen Investitionen seitens Blackrock in den führenden deutschen Robo Advisor Scalable Capital und seitens Goldman Sachs in den führenden britischen Anbieter Nutmeg.

Da uns die Frage, welche Rolle US-Finanzinstitute perspektivisch im deutschen Robo-Advisor-Markt spielen könnten, schon länger umtreibt, nehmen wir dies zum Anlass das Thema etwas genauer zu beleuchten.

Wie immer in Digital & Wealth klar getrennt in „Die Frage“, „Fakten“ und „Schluss-Folgerungen“.

Die Frage

Können US-amerikanische Finanzinstitute den aktuell stagnierenden Markt für Robo Advice beflügeln und damit die Digitalisierung des Wealth Managements in Deutschland beschleunigen?

Die Fakten

  • Der deutsche Markt für Robo Advisory scheint seit letztem Jahr bei ca. 2 – 3 Mrd. Assets under Management (AuM) zu stagnieren oder sich zumindest deutlich langsamer zu entwickeln (ETF Magazin). Eine der wenigen positiven Nachrichten war u.a. die Bekanntgabe, dass Scalable Capital die 1-Mrd.-AuM-Marke geknackt hat (Gründerszene). Besonders bemerkenswert ist, dass große Häuser wie die Deutsche Bank, die über ihre Robo-Advisor-Lösung Robin und ihre bestehenden Kundenbeziehungen leicht an Volumina kommen sollten, bisher keine Erfolge vermeldet haben.
  • Der US-amerikanische Markt ist sowohl was Robo Advice als auch sogenannte Hybrid-Lösungen, welche zusätzlich Telefon- / Videoberatung anbieten, deutlich weiterentwickelt als der deutsche. Bereits Ende 2017 lagen die verwalteten Volumina bei 165 Mrd. US-Dollar und es ist davon auszugehen, dass sich diese im Jahr 2018 mindestens verdoppelt haben (Techfluence). Auch die Wettbewerbsintensität ist deutlich höher, welches sich am Gebührenniveau erkennen lässt. Diese betragen in den USA ca. 40 Basispunkte des verwalteten Vermögens pro Jahr und damit die Hälfte des Niveaus in Deutschland (DB Research).
  • US-amerikanische Finanzinstitute sind auf dem europäischen und deutschen Markt bereits auf verschiedenen Wegen präsent, welches die Grundlage des Dohmschen Giganten-Szenarios ist. Blackrock hält 1/3 der Anteile an Scalable Capital (Finanz-Szene). Die Beteiligung von Goldman Sachs an Nutmeg (Telegraph), dem mit 1,5 Mrd. Pfund AuM größten britischen Robo Advisor ist, deswegen so spannend, da Goldman mit seiner Marke Marcus eine Expansion nach Deutschland plant – vielleicht auch mit Wealth Management Lösungen (Handelsblatt vom 24.10.2018). Und auch andere große Anbieter wie Fidelity positionieren sich am deutschen Markt (Fidelity).
  • Die entscheidenden Erfolgsfaktoren beim Aufbau einer erfolgreichen digitalen Vermögensverwaltung sind u.a. das Management der Akquisitionskosten und das Erreichen eines kritischen Volumens bei gegebener Marge. Laut einer spannenden Studie von Morning Star betragen die Akquisitionskosten in den USA pro Account ca. 300 US-Dollar. Bei einer Marge von z.B. 50 Basispunkten beträgt das Mindestvolumen für ein profitables Geschäft immerhin 15-25 Mrd. US-Dollar Assets under Management (Morningstar).

Schluss-Folgerungen

Grundsätzlich erscheint es einleuchtend, dass analog zu den GAFAs  also Google, Apple, Facebook und Amazon  auch amerikanische Finanzinstitute ihre finanzielle Stärke und technologischen Vorsprung in Europa ausspielen. Auch auf den zweiten Blick scheinen die US-amerikanischen Anbieter extrem gut für einen deutschen Eintritt positioniert zu sein: sie verfügen über die nachgewiesene Kapitalmarktexpertise, Trackrecord, umfangreiche Erfahrungen aus dem weiter entwickelten US-Heimatmarkt und bringen die entscheidenden Skalenvorteile mit, die den heimischen Anbietern fehlen. Daher haben sie den Vorteil, dass die Grenzkosten im laufenden Betrieb (nach initialem Set-Up und Akquisition) aufgrund der Skaleneffekte fast gegen Null gehen. Auch die Größe des deutschen Marktes sowie das relativ hohe Margenniveau machen diesen grundsätzlich attraktiv. Also, wenn der Case so klar ist, warum sind die „Amis“ (noch) nicht da?

Gegen einen zeitnahen und massiven Eintritt in den deutschen Markt sprechen der Aufwand für den Aufbau US-amerikanischer Brands in Deutschland – Charles Schwab und Vanguard sind bekannte Marken in den USA aber in Deutschland in der Breite weitgehend unbekannt. Hinzukommen – wenn man von einem Stand-alone Antritt ausgeht  die Akquisitionskosten, die u.a. aufgrund der geringen Kapitalmarktaffinität deutscher Anleger und der Stärke der Verbünde von Sparkassen und Genossenschaftsbanken besonders hoch sein werden. Bekanntermaßen beruht der relative Erfolg von Scalable Capital u.a. auf der Kooperation mit ING DiBa und dem einfachen Neukundenzugang.

Heißt dies nun im anderen Extrem, dass die „Amis“ nie kommen werden? Auch wenn der Vergleich mit dem Private Equity Haus Cerberus und seinen Investitionen in Deutschland (Deutsche Bank, Coba, HSH aber nicht NordLB) ein etwas schiefer ist, zeigt er, wie aggressiv ausländische Investoren auftreten können, wenn die Marktlage schlecht und Opportunitäten dementsprechend attraktiv sind. Es bleibt dem deutschen Finanzplatz zu wünschen, dass dieser bezüglich der Weiterentwicklung und Digitalisierung des Wealth Managements in Deutschland nicht auf die Hilfe der „Amis“ angewiesen sein wird. Auszuschließen ist es jedoch nicht.