Wenn Strategien für Unternehmen entwickelt werden, liegt der Fokus auf der fachlichen Perspektive: Was will der Kunde? Welche Leistungen adressieren dessen Bedürfnisse? Nur, was wollen Sie?

Nachhaltigkeit in 2025 – Eine Orientierungshilfe für Unternehmer
Paddaxum | 03/2025
Nachhaltigkeit und ESG-Themen scheinen aus der Mode gekommen zu sein. Und hiermit ist nicht die Politik der Trump-Regierung gemeint, die versucht, ihre fragwürdigen politischen Ziele als konservative Gegenbewegung zu legitimieren, sondern der generelle Trend. Ölkonzerne wie BP „entdecken“ ihre alten Geschäftsfelder wieder – nämlich die Ölforderung. Die Umsetzung von ESG-Richtlinien wie CSRD in Deutschland verzögert sich. Und die Investitionen in ESG-konforme Anlagen gehen massiv zurück. Für Unternehmer stellt sich die Frage, wie sie sich und ihre Firma in der neuen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation am besten aufstellen. Dies sind nicht nur unternehmerische, sondern auch sehr persönliche Fragen. Welche Werte will man vertreten? Wie berücksichtigt man ESG-Kriterien in der Unternehmensführung? Wie kommuniziert man diese gegenüber Stakeholdern wie z. B. Investoren, Mitarbeitenden oder Lieferanten? Und vielleicht am wichtigsten: gegenüber den eigenen Kindern?
Back to Basics: marktwirtschaftliche Prinzipien
In unklaren Situationen lohnt es sich, einen Schritt zurückzutreten und sich an die Basics einer marktwirtschaftlichen Ordnung und die Rolle von Unternehmen zu erinnern. Grundlegende Prinzipien einer jeden Marktwirtschaft – und zwar unabhängig davon, wie stark soziale Sicherungssysteme ausgestaltet sind – sind u. a.
- Wirtschaftliche Aktivitäten erfolgen in einem definierten rechtlichen Rahmen
- Wirtschaftssubjekte optimieren ihren Nutzen, im Fall von Unternehmen, typischerweise ihren Gewinn
- Preise fungieren als Knappheitssignale
- Unternehmen stehen im Wettbewerb
Idealerweise sollten diese Prinzipien zu einer optimalen Allokation von Ressourcen führen. Gesellschaftlich wünschenswerte Ziele, die nicht durch den Markt erreicht werden, müssen durch den Staat oder vergleichbare supranationale Organisationen sichergestellt werden. Ein einfaches Beispiel sind die negativen Effekte von CO2-Emissionen, deren externe Effekte durch den Staat z. B. in Form einer CO2-Steuer mitigiert werden können. Die Steuer wirkt sich direkt auf die Preisbildung und damit auf das Verhalten von Unternehmen und Konsumenten aus.
Rolle des Unternehmens: Shareholder vs. Stakeholder-Orientierung
Was bedeutet dies für die Rolle von Unternehmern und Unternehmen? Aufgabe von Unternehmen ist es, unter den gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen Produkte oder Leistungen anzubieten, die vom Markt gefragt werden und diese profitabel zu produzieren. Die Grenzen unternehmerischen Handelns bezüglich weitgehender Ziele, z. B. der Abbildung externer Effekte wie CO2-Emissionen, sind extrem begrenzt. Die Einpreisung dieser Effekte durch ein einzelnes Unternehmen würde ceteris paribus unmittelbar zu einem Wettbewerbsnachteil führen. Daraus folgt, wie es Milton Friedman formulierte: „The Business of business is business.“ Oder wenn man es etwas abstrakter beschreiben möchte: die Shareholder-Orientierung, d. h. dass das Handeln von Unternehmen durch die Interessen der Eigentümer und in der Regel einer Gewinnorientierung bestimmt wird.
Die Gegenposition hierzu ist die Stakeholder-Orientierung, d. h. dass Firmen die Interessen einer Vielzahl von Stakeholdern berücksichtigen sollten – von Mitarbeitenden, der Politik und NGOs.
In aktuellen Diskussionen wird oft die Shareholder-Orientierung als altmodisch und kurzsichtige Profitorientierung dargestellt, während die Stakeholder-Orientierung der modernere und nachhaltigere Managementansatz ist. Wie ich in der Rubrik „Kennen Sie…?“ erläutere, in der ich Miltons berühmt-berüchtigten Artikel in der New York Times und Edward Freemans „Strategic Management – A Stakeholder Approach“ vorstelle, ist dies in Teilen ein konstruierter Widerspruch, da sich eine Shareholder-Orientierung mit der von Freeman vorgeschlagenen Managementphilosophie sehr wohl kombinieren lässt.
Nachhaltigkeit und die Überfrachtung der Unternehmen
Generell sind die Erwartungen an Unternehmen auch und gerade bezüglich nachhaltigen Wirtschaftens deutlich gestiegen. Auf Basis der oben geschilderten marktwirtschaftlichen Prinzipien können Unternehmen diese Erwartungen auch erfüllen, sofern sich diese aus dem Markt ergeben (z. B. auf Basis veränderter Kundenanforderungen) oder wenn diese auf konsistenten Steuerungsimpulsen des Staates beruhen. Jedoch werden Unternehmen zunehmend gesamtgesellschaftliche Aufgaben mit dem Ziel eines nachhaltigeren Wirtschaftens zugewiesen, die sie in einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung nicht erfüllen können, wobei sich der Staat aus der Steuerungsverantwortung zieht. Ein prominentes Beispiel ist die CSRD-Berichterstattung, die Unternehmen verpflichtet, eine Vielzahl von Informationen zum Thema Nachhaltigkeit zu veröffentlichen.
Der Kern des Problems ist nicht der oft beklagte bürokratische Aufwand oder die mangelnde Datenverfügbarkeit. Das erste Hauptproblem ist, dass ESG-Kriterien im Kern nicht definiert sind, wie ich in einem früheren Beitrag dargelegt habe. Das zweite und in diesem Kontext bedeutendere Problem ist, dass es sich um gesamtgesellschaftliche Ziele handelt, die Unternehmen im marktwirtschaftlichen Wettbewerb nicht erfüllen können. Das Tragische ist, dass dies zu einer Lose-Lose-Situation führt, weil zum einen die unternehmerische Tätigkeit behindert wird und die gesamtgesellschaftlich wünschenswerten Ziele nicht erreicht werden. Die resultierende Frage ist, wie sich Unternehmer in diesem komplexen Umfeld von regulatorischen Anforderungen und schwankender Nachhaltigkeitsorientierung der Konsumenten positionieren.
Plädoyer für ein pragmatisches Stakeholder-Management
Notwendig ist ein Perspektivwechsel, der ein klares Verständnis der Rolle von Unternehmen, inklusive der resultierenden Gewinnorientierung, mit einem pragmatischen Stakeholder-Management kombiniert. Denn im Gegensatz zur landläufigen Meinung können auch Unternehmen, die dieses klare Rollenverständnis haben, modern und in ihrer Rolle nachhaltig wirtschaften. Einige Beispiel sollen dies illustrieren.
- Unternehmensstrategie & Purpose: Es macht Sinn, für Unternehmen ein Unternehmensziel im Sinne eines klaren und ambitionierten Purposes zu definieren, um Aktivitäten zu koordinieren und Mitarbeitende zu motivieren.
- Nachhaltige Produkte: Sofern sich Konsumentenpräferenzen ändern, z. B. Konsumenten weniger Fleisch konsumieren möchten und auf schmackhafte Alternativen ausweichen, werden Unternehmen diese Bedarfe adressieren.
- Personalstrategie und Firmenkultur: Es ist im ureigensten Interesse eines jeden Unternehmens, ein diskriminierungsfreies Recruiting und entsprechende Personalpolitik zu praktizieren, um in Zeiten von Fachkräftemangel qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu halten. Ein persönliches Beispiel: die Tochter eines Freundes zieht für ihren Berufseinstieg nur Unternehmen in Erwähnung, in denen auch Frauen in der Geschäftsführung vertreten sind. Jedes gewinnorientierte Unternehmen wird diese Präferenzen berücksichtigen, wenn es diese Zielgruppe erreichen möchte.
- Generelles Stakeholder-Management: Jeder Unternehmer wird sich mit relevanten Akteuren, sei es aus der Politik, gesellschaftlichen Vertretern und der Presse, austauschen und dies soweit möglich und sinnvoll einbinden, um die unternehmerischen Interessen zu vertreten.
Die Umsetzung eines solchen pragmatischen Stakeholder Managements ist natürlich leichter skizziert als getan, da diese stark von den spezifischen Unternehmenszielen, dem relevanten Markt und gesellschaftlich-politischen Kontext abhängt. Das im folgenden Abschnitt „Kein Paddaxum ohne ein Konzept“ dargestellte Framework zur Stakeholder-Analyse kann ein erster Schritt sein.
So what? Who cares!
Unternehmer und Senior Manager werden mit den wandelnden gesellschaftlichen Erwartungen zum Thema Nachhaltigkeit konfrontiert und in ihrer Rolle teilweise überfordert. Doch statt auf Trends zu reagieren oder sich in regulatorischen Details zu verlieren, lohnt es sich, die marktwirtschaftlichen Prinzipien und die Rolle von Unternehmen in Erinnerung zu rufen. Die sesulatierende innere Klarheit und ein pragmatisches Stakeholder-Management sind die besten Voraussetzungen, um auch in einem komplexen und dynamischen Umfeld wirksam und erfolgreich zu sein.

Kein Paddaxum ohne ein Konzept: Matrix zur Stakeholder-Analyse

- Stakeholder-Management ist aufgrund der Vielzahl verschiedener und konkurrierender Interessen per definitionem komplex und – im Englischen würde man sagen – „messy“
- Umso wichtiger ist es, ein einfaches Framework zu haben, das eine erste Einordnung der Stakeholder erlaubt, die natürlich für jedes Unternehmen und Kontext individuell zu erfolgen hat
- In der dargestellten Matrix können Stakeholder nach den Dimensionen „Art der Macht“ (formal bis politisch) und ihrer Rolle (von Anteilseigner bis Influencer) zugeordnet werden
- Der Mehrwert entsteht zum einen durch die Übersicht über alle Stakeholder und ggf. konkurrierende Interessen – z. B. NGOs vs. Gewerkschaften vs. Aktionäre
- Des Weiteren wird deutlich, wann Stakeholder ein Unternehmen auf verschiedenen Ebenen beeinflussen. Ein aktuelles Beispiel ist die US-Regierung, die natürlich nicht nur auf der politischen Ebene agiert, sondern auch direkt formale Macht über die Zollpolitik ausübt.
Quelle: E. Freeman, „Strategic Management – A Stakeholder Approach“, Grafik 3.7
Pad|da|xum [Substantiv, neutrum, Plural Paddaxa]:
Impuls zu aktuellen Wirtschafts- und Managementthemen, der tradierte Wahrnehmungen hinterfragt und neue Perspektiven eröffnet. Ziel ist es, zum Hirnen und zum Gespräch anzuregen. Fundiert und mit einem ironischen Augenzwinkern.


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